Verpflichtet eine vertragliche Rückzahlungsklausel den Arbeitnehmer dazu, die Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu erstatten, wenn er das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der in der Klausel vorgesehenen Bindungsdauer kündigt, weil er wegen eines ihm nicht im Sinne eines Verschuldens zuzurechnenden dauerhaften Wegfalls seiner medizinischen Tauglichkeit nicht mehr in der Lage ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, kann dies gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstoßen.
Das Bundesarbeitsgericht hatte in dem zu entscheidenden Fall die Frage zu klären, ob eein Pilot verpflichtet war, aufgrund einer zwischen Ihnen und dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung Ausbildungskosten zurück zu bezahlen, nachdem er selbst das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte.
Der Beklagte wurde von der Klägerin – einer Fluggesellschaft – zum 15. August 2016 als Verkehrspilot und Commander für das Flugzeugmuster B zu einem Bruttomonatsverdienst von 7.500,00 Euro eingestellt.
Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 5. August 2016 vereinbarten die Parteien ua.:
„§ 2 Pflichten und Rechte des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis
(3) …
Der Vertrag wird unter der Bedingung geschlossen, dass der Arbeitnehmer eine gültige EASA-FCL-Lizenz samt Type Rating und das dazugehörige Tauglichkeitszeugnis (Klasse 1) vor dem Dienstantritt vorlegt.
§ 7 Kündigung
(4) Bei dauerhaften Wegfall einer positiven Zuverlässigkeitsüberprüfung gem. § 7 Luftsicherheitsgesetz und/oder des Führerscheins der Klasse B bzw. III oder höher und/oder der medizinischen Tauglichkeit wird ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses mit gegenseitiger Suspendierung von den Leistungspflichten vereinbart. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses endet entweder bei Nachweis der rechtswirksamen Wiedererlangung des weggefallenen Dokumentes oder durch Auflösung des Arbeitsverhältnis_ _ _ ii ses.
Der Beklagte verfügte bei Vertragsschluss zwar über eine EASA-FCLLizenz für das Flugzeugmuster B, jedoch musste er eine Fortbildung absolvieren, um die Musterberechtigung (Type Rating) aufrechtzuerhalten. Am 5. August 2016 schlossen die Parteien eine „Fortbildungsvereinbarung als Nebenabrede zum Arbeitsvertrag“ in der es ua. heißt:
„1. Fortbildungsgegenstand, Dauer der Fortbildung
1.1 Der Arbeitnehmer nimmt vom 15.08.2016 bis 19.08.2016 an der folgenden Fortbildungsmaßnahme in A, Niederlande teil:,total service recurrent‘, im Hinblick auf die jährlich gesetzlich vorgeschriebene Fortbildung für die Aufrechterhaltung der Musterberechtigung (,type rating‘) auf dem Flugzeugmuster B.
2. Fortbildungskosten
2.1 Die Arbeitgeberin übernimmt die Kosten der in Klausel 1 oben näher beschriebenen Fortbildung vollständig, diese belaufen sich auf insgesamt 21.818,00 US$.
3. Rückzahlungspflicht
3.1 Der Arbeitnehmer verpflichtet sich nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zur Rückzahlung der von der Arbeitgeberin getragenen Fortbildungskosten gemäß Klausel 2.1 oben, falls er vor dem 28.02.2017 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin ausscheidet, weil (i) das Arbeitsverhältnis aus einem nicht von der Arbeitgeberin veranlassten, auch nicht mitveranlassten Grund, durch den Arbeitnehmer gekündigt wird; .
3.2 Der zurückzuzahlende Betrag bezieht sich auf den in Klausel 2.1 genannten Betrag. Für jeden vollen Kalendermonat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und der Arbeitgeberin vermindert sich der Rückzahlungsbetrag um ein Sechstel (1/6), d.h. um 3.636,34 US$.
3.3 Der jeweilige Rückzahlungsbetrag ist zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis in voller Höhe fällig und kann gegen pfändbare finanzielle Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis aufgerechnet werden.
3.4 Die Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers besteht auch dann, wenn er die Fortbildung vorzeitig ohne wichtigen Grund abbricht oder das Fortbildungsziel schuldhaft nicht erreicht.“
Der Beklagte nahm seine Tätigkeit für die Klägerin am 15. August 2016 auf. Er absolvierte zunächst die in der Fortbildungsvereinbarung vorgesehene Fortbildungsmaßnahme. Die Klägerin entrichtete die angefallene Teilnahmegebühr in Höhe von 21.818,00 US-Dollar an den Veranstalter. Mit Schreiben vom 29. Januar 2017 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis innerhalb der sechsmonatigen Probezeit zum 13. Februar 2017.
Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin mit ihrer am 31. Mai 2017 eingereichten Klage – soweit für die Revision noch von Bedeutung – die Rückzahlung eines Sechstels der insgesamt angefallenen Fortbildungskosten verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei nach Ziff. 3.2 iVm. Ziff. 3.1 (i) der Fortbildungsvereinbarung zur Rückzahlung verpflichtet, weil er vor dem 28. Februar 2017 aufgrund einer von ihm erklärten Kündigung, die sie nicht veranlasst und auch nicht mitveranlasst habe, aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Die Aufrechterhaltung der Musterberechtigung sei für den Beklagten nicht nur innerbetrieblich von Nutzen, sondern stelle auch auf dem Arbeitsmarkt einen erheblichen Erwerbs- und Einstellungsvorteil dar.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, Ziff. 3.1 (i) der Fortbildungsvereinbarung sei nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Es stelle eine unangemessene Benachteiligung dar, dass die Fortbildungskosten auch zurückzuzahlen seien, wenn ein Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündige, weil er aus von ihm nicht verschuldeten personenbedingten Gründen nicht mehr in der Lage sei, seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen dauerhaft nachzukommen. Zudem könne die Rückzahlungsklausel allenfalls einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Fortbildungskosten in US-Dollar begründen.
Nachdem das Arbeitsgericht und auch das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen hatten, hatte die Revision ebenfalls keinen Erfolg.
das BAG sah in der Klausel Ziff. 3.1.ddes Fortbildungsvertrags eine unangemessene Benachteiligung des Klägers. Die Klausel sieht eine Rückzahlungspflicht auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis von sich aus kündigt, weil er unverschuldet aufgrund eines dauerhaften Wegfalls der medizinischen Tauglichkeit nicht mehr in der Lage ist, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ohne dass der Arbeitgeber hierzu einen Verursachungsbeitrag geleistet hat. Gleichzeitig soll das Arbeitsverhältnis – würde es fortbestehen – nach § 7 Abs. 4 des Arbeitsvertrags bei einem dauerhaften Wegfall der medizinischen Tauglichkeit des Arbeitnehmers mit gegenseitiger Suspendierung der Leistungspflichten ruhen. Dies benachteiligt den zur Rückzahlung der Fortbildungskosten verpflichteten Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Die gesamte Klausel war damit unwirksam, so dass damit auch die vorgesehene Rückzahlungspflicht entfallen war.
das BAG bleibt insoweit seiner Linie treu, dass Rückzahlungsklausel so verfasst sein müssen, damit daraus eindeutig hervorgeht, dass eine Rückzahlungspflicht nur dann besteht, wenn der Verpflichtete es tatsächlich in der Hand hat, die Rückzahlungspflicht nach eigenem Willen abzuwenden. Ebenfalls spielt hier eine Rolle, dass im Falle des Wegfalls einer persönlichen Eigenschaft eines Piloten das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt werden konnte, sondern eine Suspendierung der Hauptleistungspflichten eintreten sollte, die solange Fortbestand, bis das Hindernis entweder beseitigt oder das Arbeitsverhältnis aufgelöst werden würde. Dass der Fall hier anders gelagert war, weil der Beklagte Pilot das Arbeitsverhältnis während der Probezeit selbst gekündigt hatte, spielte insoweit für das BAG keine Rolle, da allein der Wortlaut der Formulierung für die Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung maßgeblich ist.
BAG Urt. v. 11.12.2018 – 9 AZR 383/18
(Quelle: Beck online)